August 2015 - Die Sudetendeutsche Landsmannschaft in den 1950er und 1960er Jahren

Am Ende des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit kamen etwas über 2.000 Flüchtlinge und Heimatvertriebene nach Fürstenfeldbruck. Die meisten Flüchtlinge, etwa die Hälfte, kamen aus dem sogenannten Sudetenland, also aus der Tschechoslowakei. Bald gründeten diese Menschen die Sudetendeutsche Landsmannschaft, um deren Aktivitäten in den 1950er und 1960er Jahren soll es heute gehen.

 
Die Gründung
 
Neben der Sudetendeutschen Landsmannschaft gab es in Fürstenfeldbruck noch zwei weitere Landsmannschaften, die Landsmannschaft Schlesien und die Landsmannschaft Ordensland. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Fürstenfeldbruck wurde am 29. Oktober 1950 im Gasthaus Zum Bad gegründet, sie verstand sich von Anfang an als Selbstverwaltungskörper, wie es die Gemeinden und Bezirke der alten Heimat gewesen waren. Das wichtigste Ziel der Landsmannschaft war es, an die Heimat zu erinnern und das Recht auf Heimat aufrechtzuerhalten. Sie verstand sich als Volksgruppenvertretung in der neuen Heimat, in der sich alle Landsleute ohne Unterschiede des Standes, der Religion und der politischen Anschauung sammelten. In der Sudetendeutschen Landsmannschaft verarbeiteten die Vertriebenen ihr Schicksal und schmiedeten Zukunftspläne, vor allem die Hoffnung, bald in die Heimat zurückkehren zu können, schweißte sie zusammen. Bereits Ende Dezember 1950 hatte die Landsmannschaft 95 Mitglieder, zum ersten Obmann wurde der Volksschullehrer Kurt Fabig gewählt, Fabig (1919 – 1997) war mit einer kurzen Unterbrechung von 1956 bis 1995 Stadtrat, zunächst bei den Freien Wählern und dann bei der SPD. Der Verein legte auch viel Wert auf Geselligkeit und war in der Öffentlichkeit präsent. Die Mitglieder wurden sozial unterstützt, auch kulturell bot die Landsmannschaft ein vielfältiges Programm. Der Hauptzweck der Landsmannschaft bestand in der Etablierung und Aufrechterhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen. Weitere Ziele der Landsmannschaft waren die Artikulierung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Flüchtlinge.
 
Die 1950er Jahre
 
Beim 1. Stiftungsfest am 27. Oktober 1951 erinnerte der Vorsitzende des Kreisverbandes, Fabig, an die historische und kulturelle Aufgabe der Mitglieder. Er forderte die Teilnehmer auf, ihre Heimat und ihr Volkstum nicht zu vergessen und sich im „Exil“ eng zusammenzuschließen. Die Egerländerkapelle aus Unterpfaffenhofen intonierte das Lied „Recht muß siegen“. Im Dezember 1951 wurde die „Sudetendeutsche Jugend“ Fürstenfeldbruck gegründet. Das zentrale Ziel war es, den Kindern und Jugendlichen die alte Heimat lebendig zu machen. Zudem wurde betont, dass die Sudetendeutsche Jugend eine unpolitische und überkonfessionelle Jugendbewegung war. Bei der Gründungsversammlung traten 56 Kinder und Jugendliche bei. Anfang der 1950er Jahre wirkte die Landsmannschaft bei der Gestaltung des Volksfestes mit, nahm am „Tag der Heimat“ teil und organisierte Faschingsfeste. Die Landsmannschaft wurde vom Kreisflüchtlingsamt des öfteren um Stellungnahmen gebeten. Am 24. Februar 1952 hatte die Landsmannschaft 183 Mitglieder, an diesem Tag wurde im Bichlerbräu eine neue Vorstandschaft gewählt, die aus Eduard Chwalibog, Richard Fink, Karl Zahradnik, Hermine Thurner, Dr. jur. Günther Fritsch und Selma Ettel bestand. Der Ingenieur Chwalibog (1904 – 1972) war von 1952 bis 1956 Stadtrat für die Überparteiliche Wählergemeinschaft der Alt- und Neubürger.
Im Jahr 1952 waren 40 Prozent der Heimatvertriebenen arbeitslos. In den 1950er Jahren veranstaltete die Landsmannschaft viele Lichtbildvorträge sowie Heimatdichterlesungen und jeden Monat wurde eine Versammlung abgehalten. Bei der Monatsveranstaltung am 26. Juli 1952 wies Chwalibog darauf hin, dass Parteipolitik und Landsmannschaft grundsätzlich getrennt bleiben müssten und dass die Landsmannschaft nur das Sammelbecken aller Heimatvertriebenen sei. Am 23. August 1952 hielt Hauptlehrer Baumann im vollbesetzten Bichlerbräu einen Vortrag über Feststellungs- und Lastenausgleichsbestimmungen. Am 22. November 1952 fand im Bichlerbräu der Heimatabend der Landsmannschaft statt. Direktor Breuer postulierte, dass nicht Westdeutschland für die verlorenen Vermögenswerte verantwortlich zu zeichnen hätte, sondern die Mächte, die die Vertreibung geduldet hätten. Im Oktober 1955 feierte die Sudetendeutsche Landsmannschaft Fürstenfeldbruck einen großen Erfolg, denn in Gedenken an die sogenannten Märzgefallenen des Jahres 1919 und an die Vertreibungstoten durfte im Waldfriedhof ein Ehrenmal errichtet werden. Im Februar 1957 hatte die Sudetendeutsche Landsmannschaft 295 Mitglieder in Fürstenfeldbruck.
 
Die 1960er Jahre
 
Zum zehnjährigen Jubiläum im Jahr 1960 sagte der Bürgermeister Dr. Fritz Bauer über die Mitglieder der Landsmannschaft: „Das Zusammenleben hat zu einer wertvollen Bereicherung auf allen Gebieten unseres Lebens geführt.“ Am 10. April 1960 wurde beim Stiftungsfest der gesamte Vorstand in Neuwahlen bestätigt, dies waren der 1. Vorsitzende Erhard Kametz sowie Hubert Klier, Ruth Klier, Hildegard Schmidt, Hermann Ludwig und Hermine Thurner. Anfang März 1963 sagte der Kreisvorsitzende der Landsmannschaft, Otto Kraus, dass die Deutschen an die Erklärungen von Jalta und von Potsdam geglaubt hätten, dass nur noch das Recht, nicht aber die Macht herrschen sollte. Er postulierte, dass der Friede nur durch das Selbstbestimmungsrecht der Völker wieder hergestellt werden könne. Bei der Faschingsfeier am 27. Februar 1965 im Bichlerbräu waren auch Landrat Mathias Duschl und Bürgermeister Willy Buchauer anwesend, dies zeigte die enge Verzahnung der Landsmannschaft mit der lokalen Politik. In den 1950er Jahren standen die Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei mehrheitlich der SPD nahe, in den 1960er Jahren mehrheitlich der CSU. Am 4. März 1969 gedachte die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Fürstenfeldbruck am Vertriebenenehrenmal im Waldfriedhof zum 50. Mal der Opfer für das Selbstbestimmungsrecht. Die Redner verglichen die Ereignisse des Jahres 1919 mit der Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Staaten des Warschauer Paktes. Bei der Jahreshauptversammlung Ende März 1969 konstatierte der 1. Obmann, Günther Burkon, dass es die Landsmannschaft in der modernen Zeit der Massenmedien schwer habe, das Kulturgut der Heimat sowie die politische Einstellung zu vertreten. Er betonte, dass die Landsmannschaft in erster Linie ein politischer Verband sei, der an keine Parteipolitik gebunden sei, zudem sprach er sich gegen eine praktizierte Verzichtspolitik aus und vertrat die Auffassung, dass Nachgiebigkeit vom Bolschewismus mit Recht nur als Schwäche ausgelegt werde.
 
Fazit
 
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft verfolgte eine Doppelstrategie, einerseits bemühte sie sich um eine gelungene sozioökonomische, politische und kulturelle Integration in Fürstenfeldbruck, andererseits beharrte sie auf dem „Recht zur Rückkehr in die Heimat“, diese Mentalität wurde manchmal von Revanchismus begleitet. Letzteres war angesichts der deutschland-, europa- und weltpolitischen Lage sowohl aus damaliger und erst recht aus heutiger Sicht illusorisch. Der Beitrag der Sudetendeutschen Landsmannschaft zur Integration der Flüchtlinge in Fürstenfeldbruck kann dennoch kaum überschätzt werden.



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