Sitzung des Stadtrates vom Februar 2022 - Teil 1

Zukunftstechnologien sollen nach Bruck geholt werden

Die Fraktionen der Grünen, der CSU und der FDP haben beantragt, dass künftig Gewerbeflächen vorrangig für Wirtschaftscluster in den Bereichen Umwelt- und Medizintechnik, Elektronik und Analytik, Digitalisierung, künstliche Intelligenz (Konstruktion und Entwicklung) entwickelt und vorgehalten werden sollen. Sie sollen mit öffentlicher Bauleitplanung, in privatwirtschaftlicher Realisierung und Betrieb vorgesehenen Flächen (einschließlich deren Erweiterungspotential) der Idee eines Technologie- und Innovationscampus entsprechen.

In der jüngsten Sitzung des Planungs- und Bauausschusses (PBA) sowie des anschließenden Stadtrates folgte man einstimmig dem Vorschlag der Verwaltung, diese Cluster in das derzeit in Aufstellung befindliche Gewerbeflächenentwicklungskonzept zu integrieren und, um hier keine Ergebnisse vorwegzunehmen, ergebnisoffen zu prüfen.

Im PBA sprach sich Andreas Lohde (CSU) dafür aus, rechtzeitig ein Signal nach außen zu senden, um den Wissenschaftsregionen München und Augsburg, auf deren Achse Fürstenfeldbruck liegt, zu zeigen, dass man hier in diese Richtung denkt. Die Ansiedlung wertiger Unternehmen werde die Haushaltslage der Stadt stabiler machen, befand Gina Merkl (Grüne). Adrian Best (Die Linke) erinnerte an das derzeit im Entstehen befindliche Gewerbeflächenentwicklungskonzept, das die künftige Basis bei Ansiedlungen bilden soll. Dies solle zunächst abgewartet werden, bevor man sich mit einem Antrag beschäftigt, der seiner Meinung nach vom Titel her schmissig klinge, aber inhaltlich doch recht leer sei. Christian Götz (BBV) stellte die Frage in den Raum, ob Derartiges in der Region heutzutage überhaupt noch entsteht. In Zeiten eines leistungsstarken Internets würden die Spezialisten sonst wo sitzen und sich online miteinander vernetzen. Stadtbaurat Johannes Dachsel erinnerte an die bereits bestehende Matrix, die bei Ansiedlungsanfragen bereits Anwendung findet. Ziel sollte es sein, die Stadtentwicklung so zu gestalten, dass Potenziale erkannt werden. Auch über private Flächen könnte ein Bebauungsplan mit priorisierter Bearbeitung gelegt werden und man könne gezielt auf Unternehmen zugehen.

In der Sitzung des Stadtrates warnte Markus Droth (FW) davor, Schwerpunkte nur in diese Richtung zu setzen. Traditionelle Gewerke seien genauso wichtig wie die Zukunftstechnologie. Wirtschaftsreferent Philipp Heimerl (SPD) versuchte ihm diese Sorge zu nehmen, denn gerade auch aus dem Handwerk heraus entstehe Innovation. Den Antrag sah er als ersten Anstoß. Im Entwicklungskonzept seien viele Dinge zu berücksichtigen wie die Gestaltung moderner Gewerbegebiete, die Schaffung von Campusstrukturen, die Nutzung erneuerbarer Energien, die Entwicklung eines grünen und gemischten Quartiers. Die Stadt auf die Zukunft auszurichten, mache Sinn, erste Schritte seien zum Beispiel mit dem Start-up-Zentrum bereits erfolgt. Dieser Weg solle verstärkt eingeschlagen werden, auch wegen der wichtigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

Pflicht für Photovoltaik-Anlagen

Bei Grundstückskaufverträgen der Stadt, bei denen die vorgesehene Bebauung einen Strombedarf bedingt, ist künftig unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Angemessenheit die Installation von Photovoltaikanlagen zu vereinbaren. Dies gilt auch bei Abschluss städtebaulicher Verträge. Eine Ausnahme gilt, wenn die Pflichten aus dem Gebäudeenergiegesetz vollständig über eine Solarthermieanlage auf dem Dach des Gebäudes erfüllt werden. Soweit die Installation von Photovoltaikanlagen weder durch Grundstückskaufvertrag noch durch städtebaulichen Vertrag vereinbart werden kann, soll diese unter Beachtung des Abwägungsgebots, der örtlichen Situation, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit durch den Bebauungsplan festgesetzt werden.

Diesen Beschluss, der zurück ging auf einen Antrag der Grünen, der CSU und der FDP, fällte der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig.

Die Verwaltung begrüßte den Vorstoß als geeigneten Baustein bezüglich der Zielsetzung zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2035. Sie gab allerdings zu bedenken, dass der Umfang an städtischen Grundstücksverkäufen vergleichsweise gering ist. In der Bauleitplanung sind bei den letzten beiden größeren Baugebieten Am Krebsenbach und Am Hochfeld aufbauend auf dem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2016 zum Energiestandard von Gebäuden (KfW 55) sowie dem Beschluss zur Klimaneutralität (siehe Artikel rechts) entsprechende Grundsatzbeschlüsse zur (bilanziellen) Klimaneutralität gefasst worden. Es wurde als kritisch erachtet, derartige Verpflichtungen über bestehende Baugebiete hinweg festzusetzen. Jedoch wird die neue Bundesregierung mit Neuschaffung des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen eine neue Richtung vorgegeben. Es sei daher zu erwarten, dass innerhalb der nächsten vier Jahre neue Gesetzgebungen zum Thema „Erneuerbare Energien“ im Bauen Einzug erhalten. Eine Photovoltaik- Pflicht auf kommunaler Ebene wäre demnach voraussichtlich ein Vorgriff auf die vermutlich kommenden Vorgaben. Derzeit wird für PV-Anlagen über einen Mindestflächenanteil von 30 Prozent diskutiert. Es werde daher empfohlen, diesen Anteil als Richtgröße für zukünftige Bebauungspläne heranzuziehen. Der konkrete Flächenanteil zur Erzielung der bilanziellen Klimaneutralität ergibt sich im Zuge der Bauleitplanung abhängig vom jeweiligen Energiestandard.

Jan Halbauer (Grüne) bezeichnete den Beschluss als wegweisend. Vor allem auch vor dem Hintergrund der immer wichtiger werdenden Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas, aber auch zur Netzentlastung und dem Erreichen der beschlossenen Klimaschutzziele.

Klimaneutrales, gesundes Bauen beschlossen

Nach Vorberatung durch den Planungs- und Bauausschuss im Dezember vergangenen Jahres hat nun auch der Stadtrat mehrheitlich dafür gestimmt, dass der Beschluss aus dem Jahr 2016 überarbeitet wird, so dass statt KfW 55 ab sofort bei künftigen Bauprojekten, für die noch kein Baurecht besteht, und für neue Bauleitplanungen bilanzielle Klimaneutralität bezüglich des Energieverbrauchs im laufenden Betrieb (Strom, Wärme) gefordert wird.

Bei künftigen Anfragen zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben wird der voraussichtliche Energieverbrauch in die Bewertungsmatrix mit aufgenommen und es muss nachgewiesen werden, ob und gegebenenfalls wie CO2-Neutralität vorgesehen ist. Für städtische Bauprojekte wird zusätzlich auf die Graue Energie und auf umweltfreundliche und gesunde Baustoffe geachtet.

Die Fraktionen von BBV und ÖDP hatten einen entsprechenden Sachantrag eingereicht. Stadtbaurat Johannes Dachsel führte aus, dass derartige Standards – mit dem notwendigen Augenmaß – grundsätzlich sinnvoll sind. Die vorgeschlagene Regelung gelte allerdings nicht für die Vergabe von städtischen Grundstücken im Rahmen des Erbbaurechts. Und für Grundstücke über 18.000 Quadratmeter ist weiterhin ein Energiekonzept zu erstellen. Da auf Bundesebene momentan Neuerungen im Entstehen sind, muss die Stadt insoweit dann noch einmal nachbessern.

Andreas Lohde (CSU) hielt den Beschluss über die Klimaneutralität aufgrund der Überlegungen der Bundesregierung zum momentanen Zeitpunkt für nicht ratsam. Dem stimmte Markus Droth (FW) zu. Zudem mahnte er die entstehende Bürokratie für Bauwerber an: „Wie weit geht dann der zu führende Nachweis?“ Allein angesichts der ständig steigenden Energiekosten würden die Bauwerber von sich aus auf klimabewusstes Bauen achten und mit der Bauleitplanung habe die Stadt ein ausreichendes Instrument an der Hand. Seiner Ansicht nach sei es daher sinnvoller, bestehende Bebauungspläne zu überarbeiten und deren rechtlichen Rahmen auszuschöpfen.

Außerdem befürchtete er eine Wettbewerbsverzerrung, wenn die Betriebe unterschiedliche Vorgaben haben.

Über den Kompromissvorschlag von Jan Halbauer (Grüne), statt KfW 55 vorzuschreiben auf den Standard 40 zu gehen, wurde letztlich nicht mehr abgestimmt, da der ursprüngliche Antrag eine Mehrheit fand.

Grundsatzbeschluss zum Stadtentwicklungskonzept getroffen

Der Stadtrat sowie der vorberatende Planungs- und Bauausschuss haben die Verwaltung einstimmig beauftragt, im Rahmen der Stadtentwicklung für die mittel- und langfristige räumliche Entwicklung der Stadt Fürstenfeldbruck ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) mit gesamtstädtischer Betrachtung zu erarbeiten. Es wird nun eine Leistungsbeschreibung erarbeitet, die als Grundlage für die europaweite Ausschreibung dient. Außerdem wird für die Zeit des Planungsprozesses das Gebäude in der Pucher Straße 6a als Brucker Stadtlabor/Zukunftswerkstatt im Rahmen des Beteiligungskonzeptes genutzt. Zudem wird eine vorbereitende Untersuchung für das Sanierungsgebiet Innenstadt eingeleitet.

Aufgaben und Ziele eines ISEK

In dem von der Verwaltung vorgelegten Sachvortrag heißt es hierzu: Die zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung liegt darin, die strategische Steuerung der Gesamtentwicklung der Stadt Fürstenfeldbruck zu gestalten. Diese beinhaltet neben der rein planerischen auch die gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle, soziale und ökologische Entwicklung. GroßeHerausforderungen sind in diesem Zusammenhang vor allem der Klimawandel, die demographische und soziale Veränderung der Stadtgesellschaft, die Wohnungsnot, die umzusetzende Verkehrswende sowie die angespannten finanziellen Möglichkeiten der Stadt. Die finanzielle Lage der Stadt macht es erforderlich, Prioritäten zu setzen.

Ein geeignetes Steuerungsinstrument für Entscheidungen über Ziele und Schwerpunkte der Politik ist die integrierte Stadtentwicklungsplanung. Schwerpunkt einer vorausschauenden Stadtentwicklungspolitik ist es, die unterschiedlichen Anforderungen und Interessen zu bündeln, die sozialen, ökologischen und ökonomischen Ziele zusammenzuführen und in einem nachhaltigen Konzept miteinander zu verknüpfen. Damit können Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung gesichert und gestärkt werden.

Fürstenfeldbruck verfügt über eine Vielzahl informeller Planungen, wie den kürzlich fertiggestellten Verkehrsentwicklungsplan, die aktualisierte Demografiestudie, die regionale Entwicklungsstrategie des Landkreises sowie weitere teilräumliche und themenbezogene Entwicklungskonzepte. Ein bündelndes städtebauliches Konzept für die nachhaltige räumliche Gesamtentwicklung der Stadt liegt allerdings nicht vor. Ein solches gesamträumliches Leitbild und Konzept zur strategischen und langfristigen Steuerung der Stadtentwicklung wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich von verschiedenen Fraktionen gefordert.

Aus den zuvor genannten Gründen soll für die Stadt Fürstenfeldbruck ein ISEK erarbeitet werden, das fachübergreifend Strategien und Leitlinien für die Entwicklung der Gesamtstadt formuliert, respektive bestehende Untersuchungen weiterentwickelt, raumbezogene Entwicklungen perspektivisch aufzeigt und in einem gesamträumlichen Konzept darstellt.

Es gilt als zwingend erforderliche Grundlage für zukünftige Zuschüsse über Mittel der Städtebauförderung durch die Regierung von Oberbayern sowie bestimmte Förderungen durch den Bund. Die Ergebnisse sollen im darauffolgenden Schritt in die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes mit integrierter Landschaftsplanung einfließen.

Bürgerbeteiligung wichtig

Aufgrund der hohen Bedeutung des ISEK für die Gesamtstadt ist ein zielgerichteter Beteiligungsprozess der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der lokalen Akteure, Beiräte, Vereine und Weiterer zwingend erforderlich. Durch gute Beteiligung lassen sich Betroffene einbinden und für Ziele und Maßnahmen aktivieren. Als Ort des Austausches wird in den seit kurzem leerstehenden Räumlichkeiten des ehemaligen Schuhgeschäftes in der Pucher Straße 6a ein Stadtlabor/eine Zukunftswerkstatt etabliert. Hier sollen interessierte Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, ihre Ideen, Wünsche, Anregungen für ein Fürstenfeldbruck im Jahr 2040 während des gesamten Planungsprozesses einbringen zu können. Weiterhin ist vorstellbar, Expertendialoge, Podiumsdiskussionen, Bürgersprechstunden und Weiteres anzubieten.

Außerdem soll es einen Bürgerrat geben, das heißt, ein zufällig gewähltes Gremium aus 20 Bürgerinnen und Bürgern ohne Vorkenntnisse soll sich gemeinsam ein beziehungsweise mehrere Themen zur Stadtentwicklung in Fürstenfeldbruck erarbeiten und damit einen Prozess der Meinungsbildung durchlaufen. Diese Meinungsbildung wird anschließend an Politik und Verwaltung kommuniziert und soll dort wertgeschätzt, betrachtet und argumentativ abgewogen werden. Es wird davon ausgegangen, dass ein Bürgerrat zur Stärkung des demokratischen Verständnisses beiträgt. Eingebunden werden auch die Nachbarkommunen.