September 2014 - Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit

Der Terrorapparat der NS-Diktatur
Verfolgung und Widerstand in Fürstenfeldbruck
Fazit


Auch in Fürstenfeldbruck verfolgte die NS-Diktatur Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Der Terrorapparat des NS-Regimes versuchte, eine sog. „Volksgemeinschaft“ zu etablieren und grenzte alle diejenigen Menschen aus, die aus Sicht der Machthaber nicht dazu gehörten – Sozialdemokraten, Kommunisten, Angehörige der BVP, Homosexuelle, Sinti und Roma sowie vor allem Juden.

Der Terrorapparat der NS-Diktatur

Auch in Fürstenfeldbruck verfolgte die NS-Diktatur Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Der Terrorapparat des NS-Regimes versuchte, eine sog. „Volksgemeinschaft“ zu etablieren und grenzte alle diejenigen Menschen aus, die aus Sicht der Machthaber nicht dazu gehörten – Sozialdemokraten, Kommunisten, Angehörige der BVP, Homosexuelle, Sinti und Roma sowie vor allem Juden.

Verfolgung und Widerstand in Fürstenfeldbruck

„Lokalgeschichtliche Beispiele von Terror, Bedrohung, Vereinnahmung und Nichtanpassung erklären sich am deutlichsten im Kontext eines zentralen Herrschaftsprinzips des Nationalsozialismus, der Verknüpfung von Ausgrenzung und Integration. Dies beruhte auf der stets unvollendeten, aber propagandistisch höchst wirksamen Formel der „Volksgemeinschaft“. Die Utopie, eine Schicksals- und „Blutgemeinschaft“ zu bilden, in der alle sozialen, kulturellen und politischen Unterschiede aufgehoben waren, wirkte einerseits integrierend, andererseits ausgrenzend“ (Elsbeth Bösl/Sabine Schalm: Der „andere“ Teil der Bevölkerung? Verfolgte, Ausgegrenzte und Unangepasste in Fürstenfeldbruck, in: Ferdinand Kramer/Ellen Latzin (Hrsg.): Fürstenfeldbruck in der NS-Zeit. Eine Kleinstadt bei München in den Jahren 1933 bis 1945, S. 281). Herrschaft war und ist soziale Praxis. Der Terror wurde auch in Fürstenfeldbruck eher öffentlich gefeiert als verheimlicht. Die Fürstenfeldbrucker Zeitung oder das Fürstenfeldbrucker Wochenblatt meldeten meistens offen, wenn politische Gegner in „Schutzhaft“ genommen wurden oder berichteten über die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau.

Das zentrale Charakteristikum der NS-Rassenideologie war die „These des Höchstwerts der arischen Rasse“. Die jüdische Bevölkerung war also die wichtigste Gruppe der Bevölkerung, gegen die sich die Terrormaßnahmen des NS-Regimes richteten. In den Jahren 1933 bis Oktober 1939 wohnten in Fürstenfeldbruck zehn Personen, die als jüdisch oder „halbjüdisch“ klassifiziert wurde. „Von Anfang an zielte das nationalsozialistische Regime auf die Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden aus allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen“ (Bösl/Schalm, S. 286). In Fürstenfeldbruck richtete sich der Aktionismus der Machthaber vor allem gegen die aus München kommenden Lieferwagen jüdischer Firmen, so auf die Wägen der Firmen Uhlfelder und Tietz. Ein Beispiel der Verfolgung jüdischer Geschäftsinhaber war die Viehhandlung von Julius Fröhlich und Joseph Bikart, die seit dem Jahr 1908 in Fürstenfeldbruck ihr Geschäft hatten, seit dem Jahr 1930 befand sich das Unternehmen in der Bullachstraße 3. Fröhlich und Bikart wurden am 29. März 1933 am Fürstenfeldbrucker Bahnhof von SA-Angehörigen festgenommen. Die SA-Männer brachten die beiden auf einem privaten Lastwagen auf das Grundstück von Hans Ertl, im Kohleschuppen misshandelten sie die jüdischen Geschäftsleute. Danach wurden die misshandelten Juden ins Amtsgerichtsgefängnis gebracht. Am nächsten Tag wurde der „Schutzhaftbefehl“ erlassen, am 3. April 1933 wurden Fröhlich und Bikart wieder aus der „Schutzhaft“ entlassen. Die Fürstenfeldbrucker Bevölkerung war durch das Fürstenfeldbrucker Wochenblatt über die „Schutzhaftnahme“ der beiden Viehhändler informiert worden. Der seit dem Jahr 1933 in Fürstenfeldbruck lebende Rudolf Hoyer erlebte durch die Ehe mit einer Frau, die als „Halbjüdin“ galt, einen Karriereeinbruch, denn der gelernte Lebensmittelkaufmann musste im Jahr 1938 seine Stellung als Filialleiter eines Lebensmittelgeschäfts aufgeben. Partnerschaften litten unter der äußeren Bedrohung. Im Jahr 1942 verlor die Fürstenfeldbruckerin Fanny Kiefer ihren Mann, den Kunstmaler Jakob Kiefer, danach war sie schutzlos, überlebte jedoch in Fürstenfeldbruck und zog im Jahr 1946 zu Verwandten nach San Francisco. Auch Kinder aus „Mischehen“ litten unter der Diskriminierung ihrer Eltern. Der bis zum Jahr 1937 in Fürstenfeldbruck lebende Former und Katholik Max Zentheimer jun. erfuhr erst bei seiner Wehrerfassung von seinem Status als „Halbjude“. Das NS-Regime entzog den Betroffenen erhebliche Chancen der sozialen Teilhabe und der gesellschaftlichen Achtung. Im Jahr 1938 erlebte die Verfolgung der Jüdinnen und Juden weitere Radikalisierungsschübe. Wieder waren auch die Viehhändler Fröhlich und Bikart betroffen. Es gibt auf jeden Fall ein dokumentiertes Beispiel, dass Bürgerinnen und Bürger einem jüdischen Mitbürger geholfen haben. Der jüdische Zollbeamte Berthold Lehmann heiratete im Jahr 1922 die in Fürstenfeldbruck geborene Katholikin Lilly Spahn. Bis zum März des Jahres 1934 wohnte das Ehepaar in München, danach zog es nach Fürstenfeldbruck ins Rückgebäude der Dachauer Straße 18. Die Behörden beobachteten Berthold Lehman seit dem Jahr 1936 als Jude. Im Rahmen des Pogroms vom 9./10. November 1938 wurde Lehmann von einem Polizeibeamten in seiner Wohnung festgenommen. Nach 17 Tagen Haft kam er aus dem Amtsgerichtsgefängnis frei. Nach seiner Haftentlassung lebte Lehmann zunächst in der Münchner Pension „Familienheim Dr. Spier-Wich“. In den nächsten Jahren lebte er in verschiedenen Wohnungen in München. In einer Winternacht des Jahres 1942 fuhr Berthold Lehmann nach Fürstenfeldbruck. Fortan hielt ihn die Familie Lambert in der Goethestraße 4 versteckt. Der Einsatz der Familie Lambert geschah unter hohem persönlichen Risiko und ist als Rettungswiderstand zu bezeichnen.

Das Schicksal der jüdischen Verschleppten und Ermordeten in Deutschland teilte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der russische Arbeiter Jakob Prebisch. Er war nach dem Ersten Weltkrieg als ehemaliger Kriegsgefangener in Deutschland geblieben und lebte seit dem Jahr 1921 in Fürstenfeldbruck. Am 16. April 1943 wurde er von der Fürstenfeldbrucker Polizei verhaftet und der Gestapo nach München überstellt, dort kam er in ein Notquartier für Juden in der Lindwurmstraße 125. Am 19. Mai 1943 hatte er höchstwahrscheinlich einen Deportationsbefehl erhalten, die Fahrt sollte nach Birkenau gehen. In der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem ist Jakob Prebisch ein Eintrag gewidmet.

Auch andere Personen bzw. Personengruppen wurden vom NS-Terrorapparat verfolgt. Am 25. November 1939 nahm der Polizeibeamte Ignaz Göppel den 16-jährigen Hans B. fest, „weil er sich seit seines Hierseins ohne eine Arbeitsstelle anzunehmen herumtreibt“. In der Diktion der Nationalsozialisten handelte es sich also um einen sog. „Arbeitsscheuen“. In den nächsten Jahren wurde Hans B. nochmals festgenommen, er wurde ständig überwacht und war erkennungsdienstlich in einer „Zigeunerkartei“ erfasst. Unter die Opfer des Krankenmords fiel auch der Fürstenfeldbrucker Musiker Michael W. Eine Anzahl von Funktionären der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Gewerkschaften wurde Mitte März des Jahres 1933 in „Schutzhaft“ genommen, unter ihnen der spätere Bürgermeister Michael Neumeier. Bei der Verhaftung und Verfolgung der Regimegegner wirkten Bezirksamt, Schutzpolizei und SA miteinander. Der SA-Kommissar Marquart ging gegen den Schriftleiter des Fürstenfeldbrucker Wochenblattes Franz-Xaver Habrich vor. Habrich griff nationalsozialistische Presseorgane an und enttarnte die zum Denunziantentum aufrufenden Praktiken der nationalsozialistischen Sonntag Morgenpost. Am 23. März 1933 wurde Habrich auf Anweisung Marquarts wegen seiner regimekritischen Äußerungen in „Schutzhaft“ genommen und bis zum 15. April 1933 im Amtsgerichtsgefängnis Fürstenfeldbruck inhaftiert.

Fazit

Auch in Fürstenfeldbruck gab es Verfolgungs- und Vernichtungsmaßnahmen des NS-Terrorregimes. Ein breiter Widerstand dagegen entwickelte sich nicht. Die große Mehrzahl der Täter blieb nach dem Ende des NS-Regimes unbehelligt.

Hinweis:
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Aufsatzes von Elsbeth Bösl und Sabine Schalm „Der „andere“ Teil der Bevölkerung? Verfolgte, Ausgegrenzte und Unangepasste in Fürstenfeldbruck“, in: Ferdinand Kramer/Ellen Latzin (Hrsg.): Fürstenfeldbruck in der NS-Zeit. Eine Kleinstadt bei München in den Jahren 1933 bis 1945, Regensburg 2009, S. 281 – 343. Dieses Buch kann im Stadtarchiv Fürstenfeldbruck zum Preis von € 34,90 erworben werden.