Die bockige Lambretta

Wer derzeit die Augsburger Straße besucht, bemerkt gerade eine große Lücke im Häuser Esemble. Das alte Gebäude des ehemaligen Autohauses Unkmeier wurde platt gemacht. Auch über diese Historie aus den 50er-Jahren kann ich eine persönlich erlebte Geschichte erzählen:

Der alte Unkmeier, ein Bayrisches Original, ehrlich, hinterkünftig und in seiner Art ein Wirtschaftswunder-Mensch der anpackenden Art. Bei ihm kaufte ich gemäß Ansparungen und diverser Zuschüsse meiner Eltern einen Motorroller der Marke "Lambretta", das Gegenstück zur legendären Vespa. Stolz fuhr ich nach Hause; doch so groß die Freude war, hatte ich das Gefühl, dass mich dieses Fahrzeug nicht besonders mochte, denn seine Fahrweise war trotz meines neuen Führerscheins nicht besonders sicher.

Und dies bewies der 9. September 1954 in schmerzlicher Form: Ein herrlicher Spätsommertag. "Gerade richtig geeignet, eine größere Rundfahrt im Landkreis zu starten". dachte ich. Weste drüber, Schlüssel von der Leiste und an der Haustüre hörte ich gerade noch meine Eltern rufen: "Fahr vorsichtig."  "Logisch." Von der Fürstenfelder Straße kommend bog ich um die "Kapell-Kirche", rauschte über die Amperbrücke auf die Hauptstraße. Vor mir, das einzige Fahrzeug an diesem Vormittag: ein Fiat Mickey Mouse, ein Straßenfloh. Am Gehsteig beim Hotel zur Post stolzierte ein adrett gekleidetes Mädchen. Da ließ ich den Lenker los und pfiff hinüber... Wenn Blech auf Blech trifft, gibt es ein abscheuliches Geräusch. Es hob mich vom Roller und ich flog über die Motorhaube dieses Mini-Boliden. Auf dem Asphalt überschlug ich mich zweimal und stand dann wieder aufrecht vor den kreidebleichen Gesichtern hinter der Windschutzscheibe. Der Fahrer schälte sich aus dem Fahrzeug und fauchte mich an: "Ja hast du Hanswurst, den Winker nicht gesehen?" " Was für an Winker?", war meine Frage. "Ich habe doch den Winker gesetzt, um zum Marthabräu abzubiegen." "I hab koan Winker net g'seng." (Die doppelte Verneinung war ein Sprachgebrauch aus meinem ehemaligen Heimatort Mittenwald.) Ein Polizist kam. Es drehte sich alles um den ominösen Winker, ein kleiner, rot leuchtender Hebel, der damals noch bei Betätigung im Fahrzeug die Fahrtrichtung anzeigte und dabei auf und ab winkte. Nach einer Viertelstunde etwa war alles geklärt und ich konnte meine lädierte Lambretta zum Unkmeier fahren, denn fahrbereit - außer einer eingebäulten Schürze - war sie noch.

Nach etwa 14 Tagen wagte ich beim Unkmeier nachzufragen, doch sie war scheinbar noch nicht fertig. Nach etwa weiteren zwei Wochen stand ich wieder vor Unkmeiers Autohaus: "Ja mei, de muas erst no lakiert wer'n", rief der alte Unkmeier herüber, bevor ich noch eintreten konnte. Eine Woche ging ins Land und ich schlenderte ums "Otto Müller"-Eck. Da sah ich sie: meine Lambretta mit meiner Zulassungsnummer. Obenauf der Mechaniker vom Autohaus Unkmeier. Es stellte sich heraus, dass dieser Schlingel drei ganze Wochen mit meiner Lambretta zum Mittagessen nach Hause fuhr.

Das künftige Glück mit diesem Gerät hielt sich auch weiterhin in Grenzen, denn die Lambretta warf mich noch zweimal in den Straßenstaub, begleitet von aufgeschürften Beinen und Ellenbogen, sowie einigen nicht salonfreien Bemerkungen.Der Unkmeier bekam die Lambretta wieder und hatte höchstwahrscheinlich mehr Freude beim Weiterverkauf als ich, der sie nicht bändigen konnte.

Foto: Helmut Prabst





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