Ein komisches Gefährt...

Es war einfach eine ganz andere Welt, der Sommer von 1945. Der Hunger war noch da, die Gefühle waren eine Mischung aus Traurigkeit, Erleichterung und Ungewissheit, aber die Menschen arrangierten sich. So war ich als Brucker, wie die Sommer zuvor, auf dem „Karlhof (?)“ der Familie Kistler in Rammertshofen bei Aufkirchen. Obwohl ich noch sehr jung war, aber dadurch hatte ich zu essen. Meine Aufgaben waren „Fürschefahr´n“, das Reiten des linken Pferdes beim Aufladen der Getreide- oder Heuernte, das Füttern der Tiere und das Suchen nach heißen und gefährlichen Klumpen im Heu im Stadel (Feuergefahr!). Dazu kam das Durchwandern der langen Kartoffelfelder, um die Raupen, Puppen und Käfer des Kartoffelkäfers in Benzin zu ertränken.

Im Krieg hatte die Familie Kistler Söhne verloren und so herrschte hier neben der Trauer auch Personalmangel. Dann kam es, dass eines sonnigen Tages aus der Richtung Nannhofen ein kleiner Goliath Dreirad-Lastwagen auf den Hof geknattert kam. Ein junger Bursche von vielleicht fünfzehn Jahren stieg aus und fragte nach Arbeit. Der Kistler-Bauer besah sich das Gefährt, akzeptierte den neuen Arbeiter, bestand aber sofort darauf, dass der Goliath hinterm Stadel verschwand.

Die Arbeit ging weiter, auch das Vernichtungsprogramm der Kartoffelkäfer, allerdings waren wir hierfür nun zu zweit. Wir bekamen vom Bauer jeweils einen Kübel mit ungefähr einem Liter Benzin, was noch Mangelware war - als Vernichtungsmittel. Auf dem Weg zu den Äckern zog mich mein neuer Freund hinter den Stadel und goß das Benzin in den Tank vom Goliath. Nur etwa ein Becher Benzin blieb noch zurück und die Eimer wurden mit Wasser aufgefüllt. Wir waren fleißig beim Fangen der Kartoffelkäfer, als der Bauer auf den Acker kam und uns kontrollierte. Sein Finger war schnell in den Eimern und dann unter der Nase. Der Geruch versicherte ihm, dass da Benzin drin war. Die Chemie ist wunderbar - sie lässt Benzin schwimmen.

Nach ein paar von diesen „Abzweigungen“ hatten wir genügend Benzin, um an einem Sonntag eine heimliche Spritztour mit dem Goliath zu machen. Auf ging´s, Richtung Maisach und plötzlich waren wir wieder im Krieg! An der Kreuzung der Straße von Rammertshofen und Egenhofen standen zwei Amerikaner, die mit Gewehren auf uns zielten. Wir verstanden schnell, hielten an, stiegen aus und hoben die Hände hoch. Sprachliche Verständigung war auf beiden Seiten wertlos, denn keiner konnte den Anderen verstehen. Unser Fahrzeug wurde intensiv nach Waffen, Munition oder der neuesten Ausgabe einer V-Waffe untersucht.

Gefunden haben sie zwar nichts, aber sie haben sich köstlich über ein Fahrzeug amüsiert, dessen Führerhaus aus Sperrholz und Kunstleder bestand, das von einem kleinen Motorradmotor mit Kette angetrieben war, auf nur drei Rädern fuhr und sich tatsächlich fortbewegen konnte. Mit herzhaftem Lachen und Winken wurden wir freigegeben und setzten unsere Spritztour fort, um ein Abenteuer reicher. Vielleicht war es noch die Ironie des Schicksals, dass ich vierzehn Jahre später Korporal in der US Air Force war.






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