November 2016: 50 Jahren Städtepartnerschaft mit Livry-Gargan

 Nach dem Zweiten Weltkrieg hing eine positive europäische Entwicklung in nicht geringem Ausmaß von einer deutsch-französischen Aussöhnung ab.
Nachdem mit der Montanunion und den Überlegungen zu einer europäischen Verteidigungsarmee erste diesbezügliche Schritte unternommen worden waren, kam es am 22. Januar 1963 zum Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit in Paris, der von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnet wurde. Der Vertag bedeutete das Ende der „Erbfeindschaft“ zwischen beiden Staaten und sah eine umfassende Zusammenarbeit in den Bereichen Außenpolitik, Verteidigung sowie Erziehung und Jugend vor. Im Anschluss an diesen Vertrag etablierten sich in den nächsten Jahren viele französisch-deutsche Städtepartnerschaften, unter anderem auch die zwischen Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck im Jahr 1967, diese Partnerschaft wird also im kommenden Jahr 50 Jahre alt.

 
Das Prelude
 
Im Jahr 1965 bereiste der Evangelische Jugendchor von Fürstenfeldbruck (gegründet 1954) mit dem Leiter Horst Stegemann erstmals Livry-Gargan. Der Jugendchor hatte dabei die Unterstützung von Bürgermeister Willy Buchauer (SPD) und Kulturreferent Dr. Lorenz Lampl (CSU). Im Jahr 1966 fand dann ein erstes Treffen zwischen Buchauer und Lampl einerseits sowie dem Bürgermeister von Livry-Gargan, Alfred Marcel Vincent, statt. Nur ein Jahr später bereiste erstmals eine Fürstenfeldbrucker Stadtratsdelegation den französischen Ort in der Nähe von Paris. Bei dieser Gelegenheit wurde bereits vor allem ein Schüleraustausch geplant.
 
Das Zustandekommen der Partnerschaft
 
In der Stadtratssitzung vom 6. Juni 1967 beriet der Fürstenfeldbrucker Stadtrat die „Partnerschaft mit einer französischen Stadt“. Nachdem sich der Stadtrat in seiner Sitzung vom 21. Februar 1967 einhellig dafür ausgesprochen hatte, mit der Stadt Livry-Gargan Verbindung aufzunehmen „mit dem Ziel, eine Partnerschaft dieser französischen Stadt mit der Stadt Fürstenfeldbruck einzugehen“.
Daraufhin wurde Kulturreferent Stadtrat Dr. Lampl vom Plenum autorisiert, eine private Reise nach Frankreich zu unternehmen und in Livry-Gargan Gespräche in dieser Angelegenheit zu führen. In der Sitzung vom 6. Juni 1967 berichtete Lampl über seinen Besuch in Livry-Gargan. „Er teilte mit, dass ihm ein sehr ehrenvoller Empfang zuteil geworden sei. Die Leute seien sehr nett zu ihm gewesen. An einer Partnerschaft mit Fürstenfeldbruck bestehe ein überaus großes Interesse. Livry-Gargan folge damit dem allgemeinen Zug der französischen Städte, mit deutschen Städten Partnerschaften einzugehen. Das sei auch im Interesse der Völkerverständigung, die man nicht nur den Politikern überlassen sollte, begrüßenswert. Livry-Gargan liege in der Bannmeile von Paris, weise zwar äußerlich wenig Ähnlichkeit mit Fürstenfeldbruck auf, habe aber so ziemlich dieselben Probleme zu meistern. Es gelte vor allem persönliche Kontakte zwischen den Einwohnern beider Städte herzustellen, namentlich sollten Freundschaften zwischen Familien begründet werden. Der Evangelische Jugendchor Fürstenfeldbruck habe hier schon gute Vorarbeit geleistet, als er in Livry-Gargan zu Gast gewesen war. Es gelte nun nur noch, die Partnerschaft, deren Zustandekommen sehr erstrebenswert sei, offiziell zu beschließen und sie in einem angemessenen Rahmen auch in der Öffentlichkeit zu bekunden. Es sei zu diesem Zweck am 28. Juni 1967 in der Jahnhalle ein Festabend mit Gästen aus Livry-Gargan geplant“.
Daraufhin beschloss der Fürstenfeldbrucker Stadtrat einstimmig: Die Stadt Fürstenfeldbruck geht mit der französischen Stadt Livry-Gargan eine Partnerschaft ein. Mit den sich für die Gestaltung dieser Partnerschaft ergebenden Fragen wird sich zunächst der Ausschuß für Kultur- und Heimatpflege befassen. Auch wurde ein Fußball-Austauschspiel geplant. 
 
Die Vertragsunterzeichnung
 
Am 28. Juni 1967 wurde der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Beide Stadträte, der von Fürstenfeldbruck und der von Livry-Gargan, hatten das Zustandekommen des Vertrages befördert und begrüßt.

In einer großen Rede umriss Bürgermeister Buchauer die Ziele der Städtepartnerschaft: „Bis zum heutigen Tag hatte der 28. Juni im Jahresablauf unserer Stadt keine besondere Bedeutung, nun aber, mit dieser Stunde wird er in die Analen unserer Gemeinde eingehen und seinen besonderen Platz für immer behalten. In dieser Stunde wollen wir die seit vielen Monaten vorbereitete Verbrüderung der Städte Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck feierlich begründen und besiegeln. Damit folgen wir dem Beispiel vieler deutscher und französischer Städte und Gemeinden. Diese Verbrüderungen verdanken ihr Entstehen der Erkenntnis, dass es hohe und höchste Zeit geworden ist, die in der Vergangenheit praktizierten Methoden des Zusammenlebens der Völker einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen, sie zu ändern oder einen völlig neuen Grund zu legen. Man hatte endlich aus der Geschichte gelernt, was der Menschheit in dem engen Raum, der sich Europa nennt, zum Wohle dient und was ihr zum Schaden gereicht. Ersparen Sie es mir bitte, auf die bitteren Erlebnisse einzugehen, die Jahrhunderte hindurch das Französische und das Deutsche Volk gegeneinander hetzten, die bitteren Erlebnisse, die aus Vorurteilen, Irrtümern, Verständnislosigkeit, aus bösem Willen, aus Intoleranz und nationaler Überheblichkeit entstanden sind. Die Geschichte beider Völker ist in erschütternder Weise mit dem Blute von Millionen gezeichnet und belastet. …Erst als unsere Völker vergaßen, dass sie in erster Linie Europäer waren, zerbrach die Einheit und flammten die Bruderkriege auf. Heute aber ist die Zeit der Nationalstaaten fast vorbei, die Bedrohung von außen lässt uns zusammenrücken. Zudem lernen sich die Menschen über alle Grenzen und Vorurteile hinweg persönlich kennen, schätzen und achten und finden wieder den Bruder im anderen Land und mit der anderen Sprache…Und aus solchem gegenseitigem Verstehen der Menschen entsteht die Freundschaft zwischen den Völkern, eine Freundschaft wie sie sich zwischen unseren eigenen Völkern angebahnt hat. Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, der Staatsmänner zu gedenken, die hier den ersten großen und starken Impuls gaben und selbst vorlebten: des französischen Staatspräsidenten General de Gaulle und des vor kurzem in die Ewigkeit heimgegangenen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Nicht vergessen darf ich in diesem Zusammenhang des großen Europäers Robert Schumann. Die über alle böse Vergangenheit hin uns entgegengestreckte Hände haben wir mit wahrer Freude und Dankbarkeit ergriffen und wollen sie für alle Zukunft festhalten. Die heute zwischen den Städten Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck geschlossene Freundschaft möge dafür Zeugnis sein und Bestätigung. Im kleinen Raum haben wir uns zusammengefunden um mit unseren wenigen Kräften das große Kraftfeld zu stärken, das sich zwischen Frankreich und Deutschland aufbaut und somit auch beizutragen am großen Werk der Versöhnung, der Befriedung und der Gestaltung Europas. Sie, unsere lieben Freunde aus Frankreich, darf ich bitten, den Bürgern Ihrer Stadt unsere herzlichsten Grüße zu überbringen. Und nehmen Sie unser Versprechen mit, dass wir die heute geschlossene Freundschaft hegen und pflegen wollen mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln. Wer Bürger von Livry-Gargan ist, soll wissen, dass er hier in unserer Stadt stets eine hilfreiche Hand finden und eine zweite Heimat haben wird. So möge zum Segen unserer beiden Städte und unserer Völker diese Verbrüderung leben, blühen und gedeihen!“.
 
Der weitere Weg
 
Vom 27. bis 30. Oktober 1967 besuchte dann eine Delegation des Stadtrates Fürstenfeldbruck die französische Partnerstadt. Der Empfang in Livry-Gargan war großartig und sehr herzlich. Seit nunmehr fast 50 Jahren wurde und wird die Städtepartnerschaft zwischen Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck gehegt, gepflegt und intensiviert. Vor allem der Jugendaustausch und die Begegnungen von Sportlern und Vereinen ist eine große Erfolgsgeschichte. Dies gilt auch für die Partnerschaft mit dem italienischen Cerveteri, die auch auf die Initiative von Bürgermeister Vincent zustande gekommen ist. Gerade heute ist der wirtschaftliche und kulturelle Austausch Deutschlands mit Frankreich von großer Bedeutung, gerade die Vertiefung menschlicher Begegnungen auf lokaler Ebene können eine wichtige Rolle spielen. 
 





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