RathausReport April 2021: Der Beginn des höheren Schulwesens nach dem Ende der NS-Diktatur

Die amerikanische Besatzungsmacht legte größten Wert auf den Aufbau von Schulen, die Teil eines demokratischen Gemeinwesens sein sollten, das gesamte Schulwesen sollte demokratisiert werden. Die Umerziehung der Deutschen sollte sich nicht in der Entnazifizierung erschöpfen, sondern darüber hinaus die Deutschen zu demokratischen Überzeugungen bringen. Beginnen musste man bei der Jugend, in der Schule, vor allem in den höheren Schulen. Viele US-Beobachter sahen in dem dreigliedrigen Schulsystem die eigentliche Ursache für den deutschen Untertanengeist. Das Ziel der Besatzungsmacht war es, „die höhere Schule in eine differenzierte Einheitsschule zu integrieren, in der die herkömmlichen Formen der Grund- und weiterführenden Schulen zu einheitlichen Lehranstalten mit einem für alle Schüler gemeinsamen Kernunterricht verschmolzen werden sollten“.

Im Oktober 1946 gab eine Denkschrift von Studienrat Dr. Hans Lindemann mit 121 Unterschriften von Eltern einen entscheidenden Anstoß. Vor allem die Lehrer der Volksschule wie beispielsweise Amanda Wohlmuth und Peter Thiesen sowie Stadtrat Karl Sporrer setzten sich für die Gründung einer höheren Schule nachdrücklich ein. Ein wesentlicher Grund hierfür waren auch die überfüllten Züge nach München. Am 19. Februar 1947 wurde im Stadtrat von Fürstenfeldbruck erneut über die zu errichtende Oberrealschule gesprochen, der Wortlaut der Eintragung im Protokoll lautete: „Eine Kommission, bestehend aus Herrn Landrat Wachter, Bürgermeister Neumeier und Herrn Stadtrat Huber wurde beauftragt, wegen Errichtung einer höheren Lehranstalt in Fürstenfeldbruck beim Kultus-Ministerium und Innenministerium vorstellig zu werden. Bei der Vorsprache soll auch gleichzeitig ein diesbezügliches schriftliches Gesuch der Stadt unter Befürwortung des Landrates übergeben werden“. Dies war eine wichtige Initialzündung zur Errichtung der Oberrealschule (heutiges Graf-Rasso-Gymnasium) in Fürstenfeldbruck, sie war zunächst eine Zweigstelle der Oberrealschule München-Pasing.

Es gab noch einen weiteren Grund für die Gründung der Oberrealschule Fürstenfeldbruck, denn das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus wollte die stark besuchten staatlichen höheren Lehranstalten in München von Schülern entlasten. Vor allem der erste gewählte Bürgermeister nach dem Ende der NS-Diktatur, Hans Wachter (CSU), der 1947 zeitweise als Landrat fungierte, war die treibende Kraft dieser Gründung, die bald bewilligt wurde. Im Februar 1947 schrieb Landrat Hans Wachter (CSU) an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dass die Zahl der Fahrschüler sehr hoch wäre und dass an den Bahnhöfen Fürstenfeldbruck, Grafrath, Maisach und Olching pro Monat über 700 Schülerfahrkarten ausgegeben würden.

Ebenfalls im Februar 1947 schrieb die Stadtverwaltung Fürstenfeldbruck über das Landratsamt an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus: „Der Wunsch nach Errichtung einer höheren Lehranstalt in der Stadt Fürstenfeldbruck, der bereits nach dem Weltkrieg 1914/18 geäußert wurde und zu Verhandlungen mit dem Landtag führte, ist seit mehr als einem Jahr wieder besonders laut. … Da aber inzwischen die neuerrichtete Landpolizei-Grundschule Fürstenfeldbruck die ehemalige Polizeischule bis auf den letzten Raum belegt hatt und in Fürstenfeldbruck ein anderes geeignetes Objekt nicht vorhanden ist, hatte die Verfolgung dieses Ziels eine vorübergehende Unterbrechung erfahren, zumal die Landpolizeischule wegen ihres zunächst sehr großen Raum-Eigenbedarfs die Errichtung einer zweiten Lehranstalt als unmöglich erachtet. … Der Stadtrat Fürstenfeldbruck hatte sich nun in seiner Sitzung vom 27.11.1946 mit einer Sammeleingabe vieler Fürstenfeldbrucker Erziehungsberechtigten zu befassen, in der die Stadt unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Errichtung einer entsprechenden höheren Schule ersucht wurde. Da der Stadtrat selbst die Ansicht der Verfasser dieser Eingabe teilt, beschloß er einstimmig, kein Mittel unversucht zu lassen, das die Errichtung einer solchen Schule bzw. die Verlegung einer fliegergeschädigten Münchener Schule zu fördern geeignet erscheint und nach Bildung der neuen Regierung eine Abordnung der Stadt bei den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und des Innern vorstellig werden zu lassen“. Zur Begründung wurde angeführt, dass es weder in der Stadt noch im Landkreis Fürstenfeldbruck die Möglichkeit zum Besuch einer über das Volksschulniveau hinausgehenden Bildungsstätte geben würde, obwohl es seit langem das Bedürfnis gab und dass die Kinder auf den Besuch entsprechender Münchener oder Pasinger Lehranstalten angewiesen wären. Zudem hätten sich die Bahnfahrten zu einer Quelle bedenklichster gesundheitlicher und moralischer Gefahren und Schädigungen entwickelt, außerdem entstünden Mehrkosten, Zeitverlust und Unfallgefahr durch die Überfüllung der Züge.

Auch der stellvertretende Bürgermeister Michael Neumeier setzte sich immer wieder für die Gründung einer höheren Schule ein, wie er in einem Wochenbericht an die amerikanische Militärregierung im März 1947 mit ähnlichen Argumenten schrieb: „Aus den Kreisen der Fürstenfeldbrucker Eltern, denen sich auch viele Erziehungsberechtigte aus dem Landkreis angeschlossen haben, kommt das dringende Verlangen nach Errichtung einer höheren beziehungsweise Mittelschule in Fürstenfeldbruck. Dieser Wunsch wurde bereits vor mehr als 25 Jahren laut und wird heute, da noch weit schwerwiegendere Gründe für die Verwirklichung dieses Gedankens sprechen, mit ganz besonderem Nachdruck verfochten. Der Stadtrat hat sich ebenfalls wiederholt mit diesem Plan befaßt und einstimmig dem Willen Ausdruck gegeben, kein Mittel unversucht zu lassen, das seiner Verwirklichung dient … Die eine gediegenere als die Volksschul-Bildung anstrebenden Kinder müssen daher nach München oder Pasing fahren. Die täglichen Bahnfahrten haben sich aber unter den heutigen Verhältnissen zu einer Quelle bedenklichster gesundheitlicher und moralischer Gefahr entwickelt. Abgesehen davon werden die Kosten des Studiums dadurch erheblich verteuert. … Der Wunsch der hiesigen Bevölkerung kommt auch den Anliegen Münchener Kreise entgegen, die einen Ausweg aus der Schulnot der Landeshauptstadt durch Verlegung einer Schule in die Umgebung suchen …“.

Am 13. Juli 1947 bat die Stadtverwaltung Fürstenfeldbruck in einem Schreiben an Property-Control um die Freigabe des Bichlerbräus Fürstenfeldbruck zur Errichtung einer höheren Schule, als Begründung wurde angeführt, dass die Stadt Fürstenfeldbruck durch großen Zuzug der letzten Jahre eine Einwohnerzahl von 12.000 erreicht hatte und dass nicht nur die Schüler der Stadt, sondern auch des Landkreises Fürstenfeldbruck auf entsprechende Lehranstalten in München und Pasing angewiesen waren. Das Landesamt der Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Stelle Fürstenfeldbruck, schrieb am 6. August 1947 an das Bayerische Wirtschaftsministerium Abteilung Gasthäuser: „Betr. Gasthaus „Bichlerbräu“ Fürstenfeldbruck, Besitzer Brauerei Sedlmeyer in Maisach: Die Brauerei Maisach steht unter Vermögenskontrolle der Aussenstelle Fürstenfeldbruck. Da zu der Vermögensmasse auch das oben genannte Gasthaus gehört, steht auch dieses unter VK. Bei Einzug der Amerikaner wurde dieses Gasthaus von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und zu verschiedenen Zwecken (Unterbringung von D.P.‘s, Amerik. Rot-Kreuz-Club u.ä.) benutzt. In letzter Zeit ist der Stadtrat Fürstenfeldbruck an den Militärgoverneur mit der Bitte herangetreten, das „Bichlerbräu“ zur Errichtung einer höheren Schule freizugeben. Der Militärgoverneur will dieser Bitte stattgeben, aber nur zu einem Teil. Zusätzlich beabsichtigt er, das Jüdische Komitee, das bisher in einem unter Vermögenskontrolle stehenden Kaffee untergebracht ist, mit in diesem Hause unterzubringen. Die hiesige Dienststelle ist bemüht, die Vermögenssubstanz der unter Kontrolle stehenden Betriebe zu erhalten, wenn möglich zu vermehren. Wenn das „Bichlerbräu“ teils dem Jüd. Komitee und teils der Stadt Fürstenfeldbruck zur Errichtung der höheren Schule überlassen wird, sind die Erträgnisse daraus naturgemäss lange nicht mehr so hoch, wie wenn das „Bichlerbräu“ seinem ursprünglichen Zweck, nämlich dem eines Gasthauses wieder zugeführt wird. Die Stadt Fürstenfeldbruck hat sehr viele Flüchtlinge aufnehmen müssen, die, da sie keine Kochgelegenheit haben, auf das Gasthausessen angewiesen sind. Die hiesige Dienststelle bittet um Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums zu dem geschilderten Fall“.

Die Antwort des Wirtschaftsministeriums ist nicht überliefert, doch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus schrieb am 22. September 1947 an das Wirtschaftsministerium: „Der Stadtrat Fürstenfeldbruck hat sich an die Property-Control in Starnberg mit der Bitte gewandt, das Gebäude des Bichlerbräus in Fürstenfeldbruck für den Fall seiner Räumung für die Unterbringung einer höheren Lehranstalt zur Verfügung zu stellen. Ich habe diese Bitte unterstützt, weil die höheren Lehranstalten in München in einigen wenigen Gebäuden zusammengedrängt sind und die räumliche Frage eine gedeihliche Unterrichtserteilung aufs Schwerste beeinträchtigt. Es ist geplant, 6 Klassen der Oberrealschule München-Pasing in die Räume des Gasthauses „Bichlerbräu“ in Fürstenfeldbruck zu verlegen. Fürstenfeldbruck ist für eine solche Verlegung nach seiner Lage sehr geeignet. Zahlreiche Schüler aus dem Westen von München müssen die Eisenbahn benutzen; diese Fahrten benachteiligen die geistige Fortbildung der Schüler und bilden für sie eine gesundheitliche und sittliche Gefahr. Durch die Unterbringung dieser 6 Klassen in Fürstenfeldbruck sind viele Schüler der Notwendigkeit enthoben, die Eisenbahn weiterhin zu benutzen insbesondere dann, wenn es sich ermöglichen lassen sollte, auch noch ein Schulheim zu errichten“.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der soeben erschienenen Stadtgeschichte „Fürstenfeldbruck 1945 bis 1990. Von der Kleinstadt zum Mittelzentrum“ des Autors.

 

Dr. Gerhard Neumeier

Stadtarchivar

 




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Stand: 04/25/2024
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