RathausReport April 2019: Displaced Persons

München und seine weitere Umgebung wurde in den ersten Jahren nach Kriegsende ein Zentrum der Überlebenden des Holocaust aus osteuropäischen Ländern. So gab es neben München beispielsweise die Lager für Displaced Persons in Landsberg, Feldafing, Gauting, Föhrenwald und Fürstenfeldbruck. Displaced Persons (DP) waren Personen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, die im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzungsbehörden in das Gebiet des Deutschen Reiches verschleppt wurden oder hierher geflüchtet waren. Es handelte sich um ehemalige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene oder zivile osteuropäische Arbeiter.

Die alleinige Kompetenz für die Betreuung der jüdischen und nichtjüdischen befreiten KZ-Insassen und Zwangsarbeiter lag bis Oktober 1945 bei der amerikanischen Armee. Im Sommer 1946 verstärkte sich der Zustrom jüdischer DPs aus Polen nach dem Pogrom von Kielce im Juli 1946. Die Fluchthilfeorganisation Brichah operierte im Jahr 1946 auf zwei Hauptflüchtlingsrouten: einerseits über Nachod, Bratislava, Wien, Linz oder Salzburg in die DP-Lager der amerikanischen Besatzungszone oder über Stettin in den amerikanischen Sektor Berlins. Das „American Jewish Joint Distribution Committee“ unterstützte die jüdischen DPs nach Kräften. Der amerikanischen Besatzung gelang es relativ problemlos, die befreiten Kriegsgefangenen, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter der westlichen Nationen wieder in deren Heimatländer zu verbringen, doch die Repatriierung der osteuropäischen DPs war viel schwieriger. Ein Grund bestand darin, dass diese Menschen nicht in ihre nunmehr kommunistisch beherrschten Heimatländer zurück wollten.

Die DPs wurden zunächst hauptsächlich in Lagern versorgt. Am 1. Juni 1945 wurde die Jahnhalle in Fürstenfeldbruck für die Aufnahme der DPs hergerichtet. In der Hasenheide am Fliegerhorst bestanden fünf Baracken für circa 600 Personen. In Fürstenfeldbruck wurden vor allem polnische DPs untergebracht. Es gab jedoch auch ein Lager, in dem Jugoslawen und Bulgaren untergebracht waren. Für die polnischen DPs erließ die Fürstenfeldbrucker Militärverwaltung am 9. Juli 1945 eine Verordnung, wonach das Tragen von Waffen ungesetzlich war.

Vereinzelt begingen die DPs Hauseinbrüche und Diebstähle, auch für zwei Morde waren sie verantwortlich. Eine Zeitzeugin hatte den Eindruck, dass „KZ’ler“ und die ausländischen Arbeiter die Herren im Ort waren. Hier wirkte offensichtlich noch die Weltanschauung des Nationalsozialismus nach.

Das jüdische Komitee in Fürstenfeldbruck betreute die Juden im sozialen und kulturellen Bereich. Für kurze Zeit im Jahr 1946 gab es in der Stadt ein Displaced-Persons-Orchester, die meisten Angehörigen dieses Orchesters kamen aus Wilna, so beispielsweise der Dirigent Michael Hofmekler, Henia Durmashkin, Eliasz Borstein sowie Isaak Borstein. Sie wohnten in Fürstenfeldbruck in der Hauptstraße 7 im Hotel Post. Das Orchester war im Jahr 1945 im DP-Lager in St. Ottilien gegründet worden. In den Jahren 1945 bis 1948 kam es oft zu Auseinandersetzungen zwischen der deutschen Bevölkerung und den DPs. Beispielsweise beschwerten sich deutsche Wohnungs- und Hauseigentümer, dass die DPs, die in ihren Häusern und Wohnungen lebten, viele Dinge, vor allem Möbel, gestohlen hätten.

Mit der im Jahre 1947 zunehmenden Auswanderung nach Palästina und Übersee, vor allem in die USA, verringerte sich die Zahl der jüdischen DPs. Insgesamt lebten etwa 3.000 DPs im Landkreis Fürstenfeldbruck.

Im Jahr 1946 hielten sich knapp 300 DPs in Fürstenfeldbruck auf. Die Anzahl der DPs in Fürstenfeldbruck wechselte: Im Dezember 1945 betrug sie 137 Personen, im Juli 1946 befanden sich 266 DPs hier, im Februar 1947 waren es 299 und im März 1949 lebten immer noch 152 DPs.

Die Vorsitzenden der jüdischen DP-Gemeinde waren Theodor Nemser, Schimon Mladinow und Cukermann. Im April 1946 wurden 167 Juden von der UNRA verpflegt, unter anderem Juda Abend aus Jaroslau, Chama Berger aus Sosnowiec, Josef Chorzewski aus Tschenstochau, Mania Czerny aus Breslau, Blima Flattau aus Lodz, Alte Granat aus Wilna, Szlama Ickowicz aus Makow, Daniel Mlynarski aus Miechow, Ada Potezman aus Dombrowa, Abraham Rosenberg aus Ostrowicz, Lucia Rosenzweig aus Krakau, Anna Rosmarin aus Kowno oder Rachmil Wolfberg aus Schaulen. Auch in Fürstenfeldbruck stammten also die meisten jüdischen DPs aus Polen, dies war in allen drei westlichen Besatzungszonen so.

Für die meisten jüdischen wie nichtjüdischen DPs war Fürstenfeldbruck nur eine Zwischenstation in ihrem Leben. Für alle begann jedoch ein neuer Lebensabschnitt und es kam zu einer regelrechten Heiratswelle der DPs, die fast ausschließlich untereinander heirateten.

Aus dem Lager Föhrenwald ist bekannt, dass die jüdischen DPs die höchste Geburtenrate aller jüdischen Gemeinden der Welt aufwiesen. Es könnte sein, dass auch in den DP-Lagern in Fürstenfeldbruck, in denen vorwiegend jüdische DPs lebten, die Geburtenrate sehr hoch war, dies müssen zukünftige Forschungen jedoch falsifizieren oder verifizieren.

DPs, vor allem jüdische DPs, waren in allen Besatzungszonen von der einheimischen Bevölkerung nicht gerne gesehen, ob dies auch in Fürstenfeldbruck so war, bleibt vorläufig ein Forschungsdesiderat, doch höchstwahrscheinlich verhielt es sich auch hier so.

Stadtarchivar

Dr. Gerhard Neumeier




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Stand: 04/20/2024
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