RathausReport Juli 2020: Julie Mayr und die Marthabrauerei

Die Besitzerin der Marthabrauerei ab dem Jahr 1916, Julie Mayr, wurde am 13. Oktober 1868 in Fürstenfeldbruck geboren. Sie besuchte von 1874 bis 1881 die Grundschule in Fürstenfeldbruck, von 1881 bis 1883 die Fortbildungsschule in Fürstenfeldbruck und von 1883 bis 1885 die Höhere Mädchenschule in Beuerberg. In den Jahren 1902 und 1904 unternahm sie Reisen nach Italien und Frank-reich. Die Reisen nach Paris und Lourdes waren verbunden mit Wallfahrten. In der Weimarer Republik gehörte Julie Mayr der Bayerischen Volkspartei (BVP) an und wählte laut eigener Angabe in ihrem Fragebogen der amerikanischen Militärregierung (1946) bei den Reichstagswahlen im November 1932 und im März 1933 BVP. 
Die Entwicklung der Marthabrauerei in der Weimarer Republik verlief schleppend, in der Zeit der Weltwirtschaftskrise geriet die Brauerei sehr unter Druck. Von 1933 bis 1939 stiftete Julie Mayr monatlich zwei Reichsmark (RM) als Patengeschenk für bedürftige SA-Männer, ab Oktober 1935 war sie Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), ab Oktober 1936 Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) sowie von 1939 bis 1945 Mitglied im örtlichen Luftschutzbund. Trotz dieser Mitgliedschaften hielt sie Distanz zum NS-Regime, welche vor allem auf ihren ausgeprägten Katholizismus zurückzuführen sein dürfte. Seit dem Jahr 1939 stiftete sie jährlich 200 – 300 RM für das Winterhilfswerk und das Rote Kreuz. Als ihr jährliches Einkommen aus Gewerbe und Landwirtschaft gab sie für das Jahr 1932 1.943 RM an, für das Jahr 1934 7.691 RM, 21.735 RM für das Jahr 1936, 48.481 RM für das Jahr 1938 und in den Jahren 1940 bis 1944 zwischen knapp 49.000 RM und etwas über 54.000 RM an. 
Die Marthabrauerei erlebte in der NS-Zeit bis zum Jahr 1939 einen Aufschwung, denn im Jahr 1935 wurden knapp 8.800 Hektoliter Bier gebraut, im Jahr 1938 waren es schon fast 10.000 Hektoliter Bier, die die Marthabrauerei verließen. Kriegsbedingt sank der Ausstoß an Bier auf etwas über 7.000 Hektoliter im Jahr 1943. In den Jahren 1935 und 1938 hatte die Marthabrauerei jeweils 17 Beschäftigte, im Jahr 1944 waren es nur noch neun. 
Der Jahresumsatz betrug im Jahr 1938 365.000 RM, im Jahr 1942 knapp 291.000 RM und im Jahr 1944 fast 345.000 RM. 
Bei einer geringeren Beschäftigtenzahl im Jahr 1944 im Vergleich zum Jahr 1938 bedeutete dies, dass Personal eingespart wurde und möglicherweise auch Rationalisierungsmaßnahmen ergriffen wurden, dazu dürften mangelnde Absatzmöglichkeiten gekommen sein. In den Jahren 1940/1941 stellte fast die gesamte Belegschaft der Brauerei einen Antrag auf Unabkömmlichkeit, dies waren beispielsweise Bräumeister Moritz Schmidt, geboren am 9. Mai 1878 in Neu-Ulm, der langjährige wichtigste Ange-stellte der Brauerei, der Gährführer Joseph Neumeyer, geboren am 4. Dezember 1879 in Biburg, der Brauer und Mälzer Georg Neumeyer, geboren am 26. April 1886 in Biburg, der angelernte Brauer Thomas Mayer, geboren am 5. Dezember 1904 in Fürstenfeldbruck, der angelernte Brauer Georg Bernhard, geboren am 6. Mai 1909 in München, der Brauereiarbeiter Peter Schilling, geboren am 14. Juni 1908 in Mammendorf, der angelernte Brauer Josef Ludwig, geboren am 2. Oktober 1898 in Puch und die Flaschenwäscherin Maria Huber, geborene Lampl, geboren am 16. Juni 1877 in Waltenhofen/Landkreis Fürstenfeldbruck. 
Die Altersstruktur der Brauerei war also sehr heterogen und weist aufgrund der Vielzahl der Beschäftigten in höherem Alter ab 40 Jahren sowohl auf den Arbeitskräftemangel während des Zweiten Welt-krieges als auch auf eine über viele Jahre erfolgreiche Politik der Brauerei, eine Stammbelegschaft aufzubauen, hin. Die meisten Beschäftigten kamen aus Fürstenfeldbruck und dem Landkreis Fürsten-feldbruck, dies könnte die Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber erhöht haben. Im August 1945 lastete die Brauerei nur zu 42 Prozent ihre Kapazität aus, ein Viertel des Absatzes ging an die amerikanische Militärregierung, drei Viertel des Bieres wurde an die Zivilbevölkerung verkauft. Die Marthabrauerei besaß zu diesem Zeitpunkt unter anderem eine Dampfmaschine, zwei Elektromotoren und zwei kleine Kühlmaschinen. Im Juni  1946 hatte die Brauerei bei elf Beschäftigten einen Produktionswert von 30.000 RM, die Gesamtsumme der Löhne und Gehälter betrug knapp 2.000 RM, es wurden 15 Doppelzentner Malz, 60 Kilogramm Hopfen und 18 Tonnen Kohle sowie andere Brenn-stoffe verbraucht. Die Hauptabnehmer waren Gastwirte und die amerikanische Militärregierung, das Einzugsgebiet erstreckte sich auf die Stadt Fürstenfeldbruck und auf den Landkreis Fürstenfeldbruck. 
Am 2. Januar 1946 schickte Julie Mayr ein Schreiben an das Office of Military Government for Landkreis Fürstenfeldbruck Detachement H – 286 mit dem Betreff Militärregierungsgesetz Nr. 8 und führte darin aus: „Hiermit versichere ich an Eidesstatt, daß in meinem Betrieb kein Arbeitnehmer beschäftigt ist, der Parteimitglied gewesen wäre oder den im Militärregierungsgesetz Nr. 8 angeführten Organisationen angehört hätte.“ In den Jahren 1945 bis 1949 hatte die Brauerei im Durchschnitt 15 Beschäftigte. Im Oktober 1946 arbeiteten zwölf Beschäftigte bei der Marthabrauerei – die Inhaberin, neun Arbeiter und zwei Angestellte, das Arbeitsamt bescheinigte, dass keine dieser zwölf Personen politisch belastet war. Im Jahr 1948 arbeiteten in der Brauerei die Besitzerin, der Braumeister Georg Kurzhals, geboren am 18. Oktober 1912, wohnhaft in Inning am Ammersee, ein Zimmermann, ein Brauer, ein Hilfsarbeiter und zehn weitere Arbeiter, von diesen 15 Personen waren drei Mitglied der NSDAP gewesen, die alle im Jahr 1937 der Partei beitraten. 
Zu Beginn des Jahres 1951 verkaufte die Brauereibesitzerin Julie Mayr dem Landratsamt insgesamt 22 Tagwerk Grund für soziale und caritative Zwecke, sie gab das Gelände unter der Bedingung ab, dass es für den sozialen Wohnungsbau verwendet wird. Julie Mayr wurde im Oktober 1953 anlässlich ihres 85. Geburtstages auf Initiative der Fraktion der „Überparteilichen Wählergemeinschaft“ vom Stadtrat, vorwiegend wegen ihrer sozialen Tätigkeiten, zur Ehrenbürgerin von Fürstenfeldbruck ernannt, sie hatte vor allem die Katholische Kirche und die Englischen Fräulein unterstützt. 
Sie starb am 11. Februar 1960 in Fürstenfeldbruck. Bei ihrer Beerdigung waren unter anderem Bürgermeister Dr. Bauer, Landrat Raadts, zahlreiche Angehörige aus dem Brauerei- und Gaststättengewerbe sowie viele Fahnenabordnungen der örtlichen Vereine wie die des TuS, des Männergesangvereins, des Katholischen Gesellenvereins, des Arbeiter-Kranken- und Sterbevereins sowie der Zünfte der Zimmerer und Glaser anwesend. Diese Teilnahme der lokalen Honoratioren an der Beerdigung von Julie Mayr war ein Indiz, welches Ansehen die Brauereibesitzerin sowie die Marthabrauerei in Fürstenfeldbruck genoss.

Dr. Gerhard Neumeier
Stadtarchivar

Hinweis: 
Der Text ist ein Vorabdruck aus dem Buch des Verfassers über die Geschichte von Fürstenfeldbruck 1945 bis 1990, das im Herbst dieses Jahres erscheinen wird.
 




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Stand: 04/24/2024
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